Probleme in der partnerschaftlichen Beziehung
In meiner Arbeit mit Klient*innen werden immer wieder mal Probleme in der partnerschaftlichen Beziehung thematisiert: Partner*innen werden für die Erfüllung der eigenen Bedürfnisse verantwortlich gemacht. In Konfliktsituationen geht es darum, wer recht hat. Bestimmte Dinge werden als selbstverständlich vorausgesetzt, gegen die der*die Partner*in verstößt, was zu Unmut und Konflikten führt.
Es scheint also bestimmte Gewissheiten zu geben, wie eine Beziehung geführt wird. Doch woher kommen diese?
Woher unser Wissen kommt …
Wie man sich ganz allgemein in Beziehungen verhält, lernen wir bereits im frühkindlichen Kontext ganz nebenbei. Bei den meisten Menschen ist die Familie das erste maßgebliche Vorbild sozialen Verhaltens. Sie lebt uns vor, wie gemeinsame Aufgaben verteilt werden, wer für die Erfüllung welcher Bedürfnisse verantwortlich ist, wie untereinander kommuniziert wird und wie Probleme gelöst oder aber auch nicht gelöst werden.
Mit zunehmendem Alter kommen eine Vielzahl neuer Kontexte hinzu, in denen wir partnerschaftliche Beziehungen aktiv praktizieren. Wir tauschen uns mit anderen darüber aus – insbesondere Freund*innen und Peergroups. Daneben profitieren wir von gesellschaftlich vermitteltem Wissen zum Beispiel aus der Schule. Dabei wird das Ganze stetig begleitet von Bildern, die uns die zahlreichen verfügbaren Medien zur Verfügung stellen bzw. die wir aktiv konsumieren. Vieles übernehmen wir intuitiv ohne groß darüber nachzudenken. Anderes lehnen wir bewusst ab, weil es nicht unseren Werten entspricht. Dadurch entsteht eine Vielfalt an Vorstellungen, wie Beziehung geht.
Beziehungen zwischen „frei“ und „unterdrückt“
Dass wir nicht gezielt lernen, wie man eine Beziehung führt, hat Vorteile: es macht uns flexibel und ermöglicht uns, unsere Beziehungen gemeinsam mit anderen entsprechend der individuellen Bedürfnisse zu formen.
Gleichzeitig sind Beziehungen nicht notwendigerweise das Resultat liberaler Entscheidungen: Sie können sich ebenso – bewusst oder unbewusst – zu Zwangsverhältnissen entwickeln. Der Handlungsraum kann dann nicht (mehr) gleichberechtigt von allen Partner*innen gestaltet werden. Ungleiche Verteilung bei der Aushandlung von Beziehungen kann in Übergriffigkeit, toxischem Verhalten oder körperlicher Gewalt münden, was die Spitze eines Eisbergs von Beziehungen bildet, die Menschen einschränken, anstatt sie zu erfüllen und Freiheit zu schenken.
Dass wir also Beziehung unterschiedlich verstehen und (aus)leben, bedeutet, dass wir uns in unseren Partnerschaften irgendwo zwischen den Polen „frei“ und „unterdrückt“ bewegen.
Was nun?
Jährlich entstehen laut einer Studie des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen (EIGE) 54 Milliarden Euro Folgekosten in Fällen häuslicher Gewalt in Deutschland. Das sind 148 Millionen pro Tag. Gemeint sind damit vor allem wirtschaftliche Ausfälle sowie Kosten für Gesundheit und Strafverfolgung. Nicht nur ökonomisch, sondern rein menschenrechtlich gibt es gute Gründe, ungesundem Beziehungsverhalten frühzeitig entgegenzusteuern. Denn wir alle profitieren von emanzipierten Beziehungen, weil sie uns den Raum geben, uns zu entfalten, selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen und unsere Bedürfnisse klar zu kommunizieren. Doch wo lässt sich ansetzen? Meiner Meinung nach sollten wir uns noch stärker mit den Problemzonen der oben genannten Lern- und Praxisräume für unsere Beziehungen beschäftigen. Denn an meinen Klient*innen bemerke ich, dass Gewissheiten aufgebrochen und neu ausgehandelt werden müssen.
0 Kommentare